Ein aufrüttelndes Theaterstück in der Schule am Königstor
Ein Theaterstück in unserer Aula. Keine Bühne, nur vier Mikos, vier Notenpulte und vier Schauspieler*innen, die noch dazu kaum miteinander „spielen“, sondern eigentlich bloß erzählen. Fast eine ganze Stunde lang! Dabei werden sie nur von einem Cello unterbrochen – oder besser begleitet. Das klingt erst einmal ziemlich langweilig. Doch die fast 40 Schüler*innen der Klassen 9c und 9b waren sich einig: langweilig war es nie. Ein Schüler meldete sich in der anschließenden Fragerunde und gestand: „Es hat mich richtig gepackt!“
Wie haben die Schauspieler*innen und der Cellist das geschafft? Nun ja, was sie erzählen, berührt uns alle im tiefsten Innern. Und das liegt neben der tollen Schauspieler*innen vor allem daran, dass sie von echten Leben erzählen, von wirklichem Leiden, das so viele Familie durchmachen mussten, als ihnen im Lauf der schrecklichen Mordserie des NSU-Trios ihre Geschwister, Söhne, Väter oder Ehemänner genommen wurden. Warum? Einfach nur, weil sie Ausländer waren.
Die vier Schauspieler*innen versetzen sich ganz in die Lage der Angehörigen der NSU-Opfer, wenn sie deren Erzählungen auf der Bühne unserer Aula wortgetreu verkörpern. Nichts wird dazu erfunden. Ausgedacht hat sich dieses „dokumentarische Theater“ die „Bühne für Menschenrechte“, die Geschichten erzählen will, „die wütend machen und nachdenklich, die traurig machen aber auch Hoffnung geben, die bewegen, und die vor allem auch ermutigen“. Da ist zum Beispiel Adile Simsek, die ihre Geschichte in der Haut der Schauspielerin erzählt – vom ersten Treffen mit ihrem Ehemann Enver über den Moment des Mordes bis zu den sehr belastenden, sie verdächtigenden Befragungen der Polizei danach. Sie schildert, wie sie und ihre Familie Opfer sinnloser Gewalt wurden, nur um anschließend von der Polizei ein zweites Mal zum Opfer deren rassistisch geprägter Ermittlungen zu werden.
Im Rahmen des Ethik-Unterrichts und des Themas „Rassismus“ passt das Stück perfekt. Nicht den Tätern wird eine Bühne gegeben, sondern den Opfern. Die Auswirkungen eines völlig irren und gewalttätigen Weltbildes werden durch die Schauspieler*innen sehr persönlich erfahrbar. Die Angehörigen der Opfer sind so endlich nicht mehr stumm und machtlos, sondern sicht- und hörbar. Als die die Schüler*innen die Aula verlassen, bleibt eine Gruppe schüchtern stehen und flüstert: „Bitte sagen Sie den Schauspielern, dass wir es richtig krass fanden“.